Im Glashaus zu singen (9)

(9) Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Die Explosion ließ alle an einen Terroranschlag denken, dabei hatte Helena nur ihren rechten Lüster abgeschüttelt, der am Boden in unzählige Teile zersprang. Eine Gesamtansicht der Milchstraße. Aus den Ohren quollen ihr rasende Papierschlangen, aus den Augen wie aus dem Zylinder, bunte Zaubertücher. Ihr Mund entließ unentwegt die lustigsten Luftballonskulpturen, bis schließlich nur mehr letzer weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (8)

(8) Die Essenz der schwarzen Tulpe Simone rauchte derweil im zweiten Stock des Hauses in der Rue Didot eine ägyptische Zigarette, die stark nach Melonen roch. Sie lachte nackt und munter hinter einer ‚Liberation‘ aus den Achzigern, während die Bedienerin ihr errötend eine Tasse Kaffee servierte. Sie stellte das Silbertablett mit der verschnörkelten Tasse auf den Porzellanhocker neben der Badewanne, weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (7)

(7) DIY Der Spiegel wechselte zu den hübsch gekleideten Äffchen. Eine köstliche Inszenierung, denn an dieser Stelle versuchte ein sehr kleines Äffchen, ein Bruchstück des Tractatus in die Tanzszene zu schmuggeln: „Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist“, schrie der Primat, er war einarmig, seine Artgenossen an. weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (6)

(6) Keiner kennt keinen. Mundl schaute auf, lächelte den Barkeeper dankbar an, schenkte sich großzügig ein und nahm einen großen Schluck. Im Allgemeinen war er bis jetzt mit seinem Leben zufrieden gewesen – sogar in diesem Moment schien ihm alles fast in Ordnung – allenfalls häuften sich wie immer absurde Unwägbarkeiten überall im Universum. Er zupfte sich am linken Ohr, weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (5)

(5) hanc domum artis collendae causa condidit Die Tango tanzemde Frau, Mundl erinnerte sich endlich, hatte Ähnlichkeit mit der jungen Simone de Beauvoir. Doch sie und ihr etwas zu schöner Tanzpartner, eine Mischung aus Boxer und Cowboy waren spurlos verschwunden. Stattdesse warfen elf verstaubte Wandlüster den schmutzigen karmesinroten Schein der Tapeten in den menschenleeren Raum, der Mundl gerade so winzig weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (4)

(4) Looping (1980) „Das ist jetzt wirklich nicht dein Ernst“, sagte der Pudel, der sich mit Alpha Centauri vorgestellt hatte. Vor Mundls innerem Auge flackerten abwechselnd in Sepia und Indigo die Fetzen eines zerrissenen Stummfilms, als erwache er langsam und wider Willen aus einer inzwischen Jahrhunderte andauernde Amnesie. „Winterstürme wichen dem Wonnemond“, schmetterte es in Mundl, worauf Fritz Pleitgen, der weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (3)

(3) Delta Welle, völlig normal… Mundl drehte sich nicht um. Das Vieh im Spiegel wurde plötzlich braun, wie ein stinknormaler Rentnerpudel aus den 70gern. Butz, dachte Mundl, oder doch eher Mensch. Die Töle knurrt gerade immer weniger überzeugend, wechselt von  staccáto winselnd zu einem sabberndes Hecheln, verschwindet endlich aus der Ansicht der Spiegelung und leckt unversehens am altem Hebammenkoffer, den weiterlesen…

Im Glashaus zu singen (2)

(2) Trau,schau,wem! op.463 So, so“, murmelte der Glatzkopp halb im Scherz und halb als Vorwurf, „SIE haben uns diesen Mist also eingebrockt – dann sehen SIE auch zu, wie wir da wieder raus kommen!“ Dabei strich er mit der rechten Hand über die Ödnis, als wolle er sie noch mehr zum Glänzen bringen. Wer den lieben langen Tag seine Glatze weiterlesen…

Kleine Blockwartin

Dies ist Deine Stunde. Wenn Du vor der Apotheke den Abstand regelst, gratis die wissenschaftlichen Erkenntnisse austeilst aus Bild und BZ. Da wünscht sich jedermann die totale Ausgangssperre. Begrüßen sich zwei Volksvertreter: Was geht Mann? Alles Mann, alles ohne Widerspruch. Fröhliches Manöver! Die Heimatfront steht.

Im Glashaus zu singen (1)

Vorwort: Es ist schon eine Weile her und leider (wahrscheinlich an meiner Unzuverlässigkeit) gescheitert. Mein Freund Kolja und ich unternahmen gemeinsam den Versuch, jede Woche einmal einen Satz in eine Textdatei zu schreiben und so eine Geschichte zuwege zu bringen. Kolja und ich verbrachten in einer längst vergangenen Zeit Stunden unseres Lebens damit, oft sehr absurde Arbeiten für einen noch weiterlesen…

Zucht + Fleisch

Notiz am Waldrand beim Anblick eines Schweins hinter blauen Metallstreben (2002) Ich arme Sau, gezeugt in willkürlicher Absicht aus Haus- und Wildschwein, damit ich weniger friere und triebhaft mich ernähre von Früchten des Waldes, wie meine wilde Mutter, die als freies Schwein sterben wird an einer Ladung Schrot. Ich Bastard,  meinen Zweck erfüllend auf dem Gang zum Schlachter, vermisse ich weiterlesen…

In Wahrheit…

Du Porträt auf der Einkaufstüte, du inszeniertes Individuum. Vielleicht schon tot, wer weiß? Vielleicht noch im Geschäft. Soviel nutzbringende Bilder, so viele Individuen im Katalog. Wie der Dank für den Einkauf auf der maschinellen Quittung. Du Gorillamann aus dem Berliner Zoo – noch in schwarzweiß stützt das sorgenvolle Gesicht auf deine rechte Faust. Schokoladenmund des aus der Gruppe abgesonderten Kindes, weiterlesen…

Ich bin fromm

Ich weiß nicht, zu wem ich bete. Ich weiß, es hat keinen aussprechbaren Namen. Das ist nicht nur, dass man das nicht aussprechen darf, ohne Schaden zu nehmen, Das ist, weil es nicht nötig ist. Ich weiß, dass nicht klar ist, ob es alles, jemand oder niemand oder nichts ist. Aber kein Gegenstand, mit dem zu rechnen wäre… Mein Instinkt weiterlesen…

Aufräumen im Regal – Der Abschied von Radio 100

Am 1. März 1987 ging Radio 100 in Westberlin auf Sendung. Der erste private Sender der noch geteilten Stadt verstand sich als links-alternativ bis -radikal, war basisdemokratisch organisiert und chronisch unterfinanziert, sendete den Polizeifunk oder Klangexperimente, berichtete aus schwul-lesbischer Sicht und erfand den Fake neu. Ankündigung der Radio 100 Festivitäten im Columbiatheater. 30 Jahre seit dem Sendestart. Da auch ich weiterlesen…

Herbscht

Herbscht ist. Vom Balkon nach drinnen entrinnen ins Warme die Spinnen. Früher, ich kann mich entsinnen, Hatte ich Angst vor Spinnen. Schwer, wie die Jahre verrinnen, Geht meine Furcht auch von hinnen.   Spinnen.

Gestaltungsabsicht und Naturinterna

Im menschlichen Sinn kann es keine natürliche Ordnung geben, denn der Mernsch kann seine Ordnung entwerfen und verwerfen und entwerfen usw, usf . Sich argumentativ auf eine Ordnung zu berufen, die von der Natur vorgegeben sei, bedeutet, den Gestaltungsspielraum, der sich aus diesem Vorteil ergibt, einer phantasmatischen a priori Realität unterzuordnen, anstatt die Realität mit den Mitteln der Vernunft zu weiterlesen…

Der Austritt

Ich persönlich halte mehr von direkter Demokratie, als von bürokratischer Ver(ge)walt(i)gung. Der Denkzettel, den Teile der Inselvölker Ihrer Regierung verpasst haben, wird kurz- und mittelfristig weder die Kriminellen in der City und an anderen Börsenorten wegfegen, noch zu irgend einer grundlegenden Verbesserung oder Verschlechterung der Lage der Lohnabhängigen in Europa führen. Wenn jetzt ein neuerliche neoliberaler Schub den totkranken globalen weiterlesen…

Kein Spielraum für Verhandlungen

Ich will das Subjekt meines Handelns sein. Je suis. Ich bin aus Homs, Alleppo, Damaskus. Ich bin aus Basra, Bagdad, Mossul. Ich bin aus Herat, Kundus, Kabul, Kandahar Ich bin aus dem Jemen, ich aus Sudan. Ich bin eine Beduinin; unser Haus stand in Bir Nabala. Ich lebe in Ramallah. Ich habe zwei Töchter großgezogen. Ohne Mann in Clichy-sous-Bois. Ich weiterlesen…

Fluchtursachen bekämpfen!

Ich werde gebeten, mich zu erklären. Nichts habe ich gesagt zu dem jämmerlichen öffentlichen Umgang mit der humanitären Katastrophe der Massenflucht nach Europa. In unseren Massenmedien kommen Vernunft begabte Demokraten überhaupt nicht mehr zu Wort. Stattdessen regiert das Ressentiment die sogenannte öffentliche Meinung, regieren Nationalismus, Rassismus und Chauvinismus, befeuert von einem unvorstellbar dummen transatlantischem Kadavergehorsam. Es scheint, als sei hierzulande weiterlesen…

Gerade noch…

Ich muss noch, ich muss noch’n Sechszeiler- Mmmh, da ham wir den Salat. Eigentlich ja zwei, denn gestern war ich auch so freiUnd habe nix gedichtet. Und dann noch das Thema – Ekel,Dabei geht’s mir heut so gut und die Sonne scheint. Da sind wir beim Thema, sie scheint viel zu sehr,Und das Dichten ist schwer. Aber nichts im Vergleich weiterlesen…

Störung durch eine Schmeißfliege

Ein fetter Sozialdemokrat in seiner Not, Schlägt ein Schmeißflieg am Suppentellerrand tot: „Bäh, du Suppprolet wirst verderben mein Mahl, Durch Lügen verdient bei der letzten Wahl. Dass wir Sozen die Konten der Bosse mästen, Suppprolet, glaub es, ist zu deinem Besten! Dir sollte man ins Maul hau’n, wenn ich dich dich kriege, Wo möglich kartätscht euch Noske zum (nationalen) Siege. weiterlesen…