Traum-Splitter 3

1. Ich kaufe eine geräucherte Makrele beim Ragacki. Die Verkäuferin wickelt sie in ein Stück Zeitungspapier und flüstert: „Hier, stecken sie ein und verschwinden sie, schnell raus.“ Ich frage: „Haben sie nicht mehr dieses schöne alte Butterbrotpapier und die Plastiktüten mit dem Rogacki-Fisch drauf?“ Zuhause packe ich die Räuchermakrele aus. Es ist aber eine kleine Beretta und ich habe immer  noch Heißhunger auf Geräuchertes.

2. Eine alte Windmühle innen. Mehhlstaub in der Luft. Ein Fahrstuhl für Getreidesäcke darauf ein Sack, den der Müller anpustet. Er fliegt wie ein Ballon in der staubigen Luft. Der Müller nimmt sein Gewehr und schießt ihn ab. Plopp. Aus dem Sack kommen lauter bunte Luftschlangen und Daunenfedern. Der Müller winselt. „Verrat, Verrat, Verrat…..“

3. Im Schloss Charlottenburg zieht ein Tartarenkommandant mit seinem Regiment ein. Er lässt den französischen Garten, auf den er blickt, umgraben und Kartoffeln pflanzen. Im Herbst beschaffen die Tartarenn einen kupfernen Biersudkessel aus der nahgelegenen Ruine einer ehemaligen Touristenschwemme und bauen ihn um. Darin wird Wodka gebrannt. Die Touristenbusse kommen trotzdem noch stündlich zur Schlossbesichtigung. Einige ganz neugierige Hessen, unter ihnen ein pockennarbiger, völlig abgemagerter Koch, trauen sich bis an das Feuer der Tartaren unter der Kuppel, das die Decke schwärzt und nach Wacholder riecht. Ich singe und trinke und kann auf einmal tartarisch. Jetzt verstehe ich, dass die alte Lärche fallen soll. Ich protestiere energisch und weine. Die Tartaren lachen: „Trink, und merk dir, Lärchen darf man nur fällen, wenn andernfalls ein bedeutender Geist stürbe!“ sagt ein Tartar zu mir, mit einem Gesicht, das irgendwie sehr Harry Rowohlts Gesicht ähnelt.

4. Ein Mini-Raddampfer bricht das Eis auf dem Lietzesee auf. Am Kiel sitzt ein Harpunier, der kleine Braunkohle-Briketts ins Wasser wirft. Eine Mutter, die am nahen Ufer zwei Kinder auf einem Schlitten hinter sich herzieht brüllt ihn an: “ Lassen sie das, oder ich hole die Abendschau.“ Die Kinder jauchzen.

5. Eine Sirene heult und ich springe aus dem Bett und auf den Flur. Mein Nachbar kommt mir aus dem  ersten Stock entgegen und sagt ungerührt: „Es ist nur wieder Hochwasser, ein bisschen zu früh dieses Jahr.“ Seine Wohnung geht über zwei Etagen vom Paterre zum ersten Stock. In der Überschwemmungszeit ist er mit seiner Freundin normalerweise immer im Urlaub und unten läuft eine Pumpe, die das Paterre ein bisschen trocken hält. Deshalb bin ich auch ärgerlich, weil die Pumpe ein nervendes Geräusch macht. Vielleicht bin ich auch gar nicht von der Sirene aufgewacht, sondern von der Pumpe. Von der Stimmung her ist es aber seit den Berliner Hochwassern im Haus wieder wie in den 1960gern. Man hilft sich und lebt nicht aneinander vorbei.

6. Eine Nachbarin fragt mich, ob ich sie kurz vertreten würde, sie könne mir aber nicht sagen wobei, dann ist sie verschwunden. Ein Auto fährt an der Kreuzung Bismarkstraße Ecke Wilmersdorfer gegen einen Ampelmast. Die leicht eingedrückte Beifahrertür wird von innen geöffnet und ein Marienkäferschwarm fliegt in den Winterhimmel. Ich rufe ihnen nach: „Woher kommen Sie gerade?“