Chemo 2000

Wäre es also möglich auf dem Umweg über die Naturwissenschaften, genauer, über deren letztliche Erkenntnis, dass sie nur noch zu philosophieren haben, wo sie zur Erkenntnis gelangten, wäre es also durch sie möglich, zu jener ruhigen, ausgeglichenen, ruhenden Geborgenheit zurückzufinden, die wir  seit der Abschaffung der Heilsreligionen als Grundlage für unser Weltbild so schmerzlich vermissen?

Aber was heißt da – zurückfinden. Gab es je Ausgeglichenheit oder haben wir sie letztlich nur erstrebt, um ins Universum zurückzufinden, z.B. Was spräche dann gegen die Zurücknahme unserer aus einer Vorstellung vom Fortschreiten der Zeit herrührenden Ansprüche auf die Existenz eines eigenen Ichs?

Die höchste Schwierigkeit ist die Nicht-Dozierbarkeit eines nicht resultanten Weltbildes. Die Neigung des Ichs, will sagen, der Verzicht auf die Abgrenzung durch immer kleiner werdende Definitionshäppchen, wäre die ideale Haltung der Spezies M. im gegenwärtigen Entwicklungsstadium der durch uns erkennbaren Welt. Sie trüge bei zur Erhaltung der Spezies.

Zur Zeit können wir eine Welt, von uns befreit, nicht denken. Denn ohne uns würde die Welt für uns gar nicht existieren. Unsere Welt steht und fällt mit der  Behauptung unserer eigenen Existenz. Wir sind, da wir uns seiend definieren. Wir wissen aber außerdem aus Erfahrung, dass wir in dieser Welt sind ohne das diese uns unabdingbar bräuchte- selbst ohne dass wir wissen müssten, wozu uns die Welt braucht, damit wir da sind.

Das Wort Dasein, geprägt um eine der Wahrhaftigkeiten unserer Existenz in den Griff zu bekommen: den Schmerz. Er vereinnahmt eine real erfahrbare Maßeinheit unserer Wahrnehmung, den Ort an dem wir zu dem Schluss kommen können: Ja, wir sind. Diesen bestimmt Ort anerkennen wir jedoch nur, weil unsere Definition ihn von anderen wahrnehmbaren Räumen unterscheidet. Vielleicht existiert ja aber diese Teilung gar nicht – oder nur durch die Wahrnehmung ansich.

Es gibt nur einen Raum, der gleihbedeutend ist mit keinem Raum. Das ist kein Raum oder Nicht-Raum an sich, sondern was wir so nennen.Wir sind nicht hier oder dort, weil wir hier oder dort sind, sondern, wie nicht anders zu erwarten, sind wir immer hier und dort. Der Unterscheidung jener Orte liegt lediglich eine Angewohnheit zugrunde: Wir begreifen Zeit als einen Vector.

Mit diesem Verständnis mühen sich einige so ab, dass sie das Wort Dasein durch das Wort Jetztsein ersetzt sehen möchten. Aber auch diese begiffliche Spielerei ist nichts weiter, als der erneute Versuch, die Welt anzugreifen, um sich der zwingenden Notwendikeit zu versichern, auch wirklich in ihr zu sein. Gleichzeitig zu sein und nicht zu sein, um so ein Teil eines Ganzen zu werden, um so zu sein. All dies zu benennen, zu bezeichnen, schafft dem Ganzen aber Grenzen, die es nicht hat. Diese Grenzen sublimieren einen für die Existenz wahrnehmbaren Teilaspekt, der Beweiskraft haben soll.

Wozu aber benötigen wir diese Quittungen für unsere Existenz? Wir mischen das Kartenspiel unserer Vorstellungkraft, bis endlich die Karten geordnet daliegen, um des Unterschieds willen zwischen Ordnung und Unordnung. Die Kausalität ist dadurch nicht aufzuheben. Gilt sie für einen definierten Weltbegriff, so ist sie bereits für die Herbeiführung geringster persönlicher Veränderung nutzlos.