Im Glashaus zu singen (4)

(4) Looping (1980)

„Das ist jetzt wirklich nicht dein Ernst“, sagte der Pudel, der sich mit Alpha Centauri vorgestellt hatte. Vor Mundls innerem Auge flackerten abwechselnd in Sepia und Indigo die Fetzen eines zerrissenen Stummfilms, als erwache er langsam und wider Willen aus einer inzwischen Jahrhunderte andauernde Amnesie.

„Winterstürme wichen dem Wonnemond“, schmetterte es in Mundl, worauf Fritz Pleitgen, der nicht gleich auffiel und irgendwo links saß, dem alten P., der eine Fachzeitschrift für Rassehunde las, hüstelnd darauf aufmerksam machte, dass sie gleich auf Sendung gehen würden. Das rote Licht brannte heute kaum schamloser als sonst, doch P., der eigentlich den Börsenheini in Frankfurt anzukündigen hatte, brachte nur ein armseliges Gebell durch die Stimmritze: Wuff, Wu-ufff!“

Etwa zwei Jahre später, Mundl arbeitete inzwischen in Buenos Aires, klingelte das Telefon.
„Herr Hund oder Mund“ – „Mundl“, unterbrach ihn Mundl, – „Mein Name ist Hoffstätter vom Paranal Observatorium, ich bin der Hausmeister im VLT und soll Ihnen eine vertrauliche Nachricht von Alpha Centauri übermitteln, Sie sollen sich bitte nicht erschrecken, aber Ihr geliebter Pudel Rudolph ist soeben verstorben.“

Instinktiv knickte er den Hals ein, hatte jetzt selbst Ähnlichkeit mit einem Pudel; aber dann straffte er sich und überlegte, wo er auf den Schock erst einmal einen heben könnte. Schon in der Abenddämmerung des Mai trat er auf das angenehme Pflaster der Avenida Corrientes, bog eilig ab in die Avenida Leandro N. Alem und bestieg dort den Bus 61 A bis zur Avenida Paseo Colon, von wo aus er wie ein Irrer zur Plaza Dorego rannte, auf der ein einziges Pärchen in Zeitraffer Tango tanzte. Etwas an den Bewegungen des Paares kam ihm vertraut vor; er folgte ihm und sah gerade noch wie es zwischen zwei hölzernen Gardesoldaten mit Eseln ins ‚Pappa Deus‘ verschwand. Mundl folgte der Erscheinung hastig in das Etablissement – orientierungslos, wie ein Neuzugang in der ‚Rue Laguénésie‘.