“Ich” und Bla

Ich höre im Radio, Irving sagt, er schreibe den letzten Satz zuerst, weil er sonst kein Ziel hätte und sich verwirren würde. Das ist eine Methode, auch wenn ich sie nicht glaube. Aber welchen Grund hätte der Mann uns etwas anderes von seiner Arbeitsweise zu überliefern, als das, von dem er glaubt, es gereiche seinem Bild zum Besten.

Der Entwurf, den wir von uns machen, ist entscheidend. Das schreibende Voranschreiten, im Kreis gehen, zum Ausgangspunkt zurückkehren, im Zyklus steckenbleiben – der sprachgelehrte Affe, ein dünnes Bändchen, für das ich zwölf Jahre brauchte und bis an mein Lebensende brauchen werde(wie übertrieben)- gerade war ich, zwölf Jahre nach der ersten Lektüre, die ich schnell abbrach, dieser Ungeheurlichkeiten wegen, zum erstenmal (die neue Rechtschreibung ist falsch hier) war ich gestern auf der letzten Seite angelangt, schaudernd, und habe es doch nicht zuende gelesen, weil die Realität(welche, oder besser Plural, nein, übertrieben), die ich Leser hatte, weiter geht im Kopf, sich weiterdreht, in sich zusammenfällt, Gedächtnis aussetzt und ich mich zwingen muss, diesen einen auffällig kurzen Satz zu erinnern, den der Tote zu mir, für mich in die kleine Leere, die am Ende der kleinen Seite blieb, gesetzt hat. Ich bilde mir ein für mich. Also stimmt es.

„Ich kämpfe auch gegen Irrealität“.

Ich bilde mir ein, der Satz lautete so, habe ihn aber vielleicht schon neu zusammengesetzt, als das, was ich verstanden habe. Der Satz war im Zusammenhang nicht lauter gesprochen von Paz, als seine anderen, er war nur einfach für mich. Und nun schaue ich nach, ob ich ihn „richtig“ behalten habe, diesen kurzen Satz, und „richtig“ zitiert. Ich weiß, dass er ganz unten auf einer linken Seite steht, oder zumindest gestern noch stand, und wenn ich linke Seite schreibe, denke ich an Paz den Spanienkämpfer auf Seiten der Republikaner, an Paz den mexikanischen Diplomaten, der in Paris ist, sowieso Ecke sowiso, kein Ort, den ich kenne, der mir bekannt vorkommt, dennoch, Paz in Indien, in dem Satz, den Paz schrieb, und von dem ich glaubte, er sei für mich bestimmt:

„Ich leide auch an Irrealität.“

Aus Leiden mache ich Kampf. Zuviel Herold Binsack gelesen, gestern. Und der mutige Feudalprovokateur HM555 war der Einzige, der das richtige gefragt  hat gestern, den Herold der marxistischen Orthodoxie, nämlich wie man ihm helfen könne, denn seine Schlussfolgerungen sind überlegenswert und er ist dennoch/deshalb verzweifelt. Und mein persönlicher Satz von Paz steht nicht unten links sondern unten rechts, und es ist noch Leere darunter, die jetzt die meine ist, die ich mir aneigne, die ich jetzt ausfüllen werde, voran schreitend, weiter schreibend, die Namen der Dinge nicht nennen könnend – nur ein bischen weiter hin zum Wahnsinn – soweit es geht.

Ich habe ihn wiedergefunden, den Satz. Ende. Keine Notwendigkeit weiter zu schreiben, außer dem Drang weiter zu reden, Bla. Sinn lassen. Sinn entlassen. Sinn liegenlassen. Sinnablass. Mir ist kalt. Ich, meiner, mir, mich. Ich bin gerade nicht von der anderen Seite. Der Fluß trocknet aus; noch waten in seinen Pfützen langstelzige Vogelarten. Deren Farben, die ich nicht auszudrücken vermag aber sehe, reizen wieder zur Beschreibung, Farben erinnern mich (also diese erinnern jenen) die ich gestern sah, als ich die Bettdecke über den Körper gezogen hatte, in der Kälte dieses Mais, des Maien. Reine Farben, leuchtend karmesinrot, es war nicht karmesin, aber es sah aus, wie ich karmesin jetzt klingen höre, nicht sonieren höre, denn sonieren klingt falsch. Reines Indigo, das ultramarin und schließlich ein mit weiß vermischtes Bleiblau war. Das Rot in einem vertikalen Balken, soweit ich mich erinnere, und das Blau in einem horizontalen Balken, etwas mehr als hauchdünn, ca. einen Zentimeter lang, offenen Auges in das Halbdunkel gesetzt, wachgeträumt, eingegeben; wo? Es raubte mir den Schlaf. Von wo aus? Von irgendwoher, vielleicht aus dem chemischen Zusammenspiel in den Regionen der grauen Wirrungen.

Wir nennen seinen Namen: Gehirn. Ein jetzt schon nichtssagender, leerer Name, dessen transponierter Nichtsinn oder Neusinn sich aufgelöst haben wird am Ende dieser eingebildeten Sentenz, der verwest, der gegessen werden kann, gut abgehangen, edelbeschimmelt, wie die teuren Fleischstücke eines New Yorker Gourmet-Restaurants, das auch die Einbildung stimuliert. Ich möchte und so weiter schreiben.

Mir ist kalt. Es spricht mich. Es versiegt und quält sich als dieses innere Sprechrinnsal erneut in die Tastatur des Apparates, den ich hassen gelernt habe. Korrekturen der Orthographie werden nötig werden, und es wird wieder und wider hinzukommen beim Lesen, beim Nichten und dem Drang das Genichtete zu füllen und widerum zu nichten bis es dasteht, da steht, hier steht.

Ach und übrigens! müssen wir mal über Ich sprechen. Ich hatte da gestern nach den Spracherfahrungen, dem Plappern ins Dunkle, diesem vorformulierten Bla, das ich nicht aufschreiben wollte, weil der Mai mir zu kalt ist, und nach dem bunten Gelichter, eine Form für etwas, das ich unangenehm finde – es zu beschönigen höchstwahrscheinlich, war sie gedacht. Diese zwei ö direkt hintereinander schmecken mir nicht, genausowenig wie dieses Ich. Ich pfeife auf eure Inetrpunktion. Interpunktiert euch doch selber. Erinnere! Fehlanzeige. Entwirf es neu. Es plappert, ja, Bla kam darin vor. Ich versuche eine Rekonstruktion:

Ich, ich, bla bla.

Eintrittskarte lösen,

Im Freibad am Mahlstrom,

Erzählfluss, Untertauchen,

Kiemenatmung, Fischwerdung,

Embryonales Stadium.

Namenlosigkeit, Eigenname,

Unterschiedlos, Eigentlich

Aufgelöst in Deutlichkeit.

INDIGO, Foto: AQ!, 2010

Mehr geht jetzt nicht.
Melde mich irgendwann wieder.

ENDE