Humanitäre Interventionen

Diesmal Libyen – Operation Enduring Drone Freedom(OEDF)

Die EU-„Delegation“ in Tripolis, die sich einen „Überblick“ über die humanitäre Lage verschaffen will – alles Kulturexperten  (MI6, IB, BND) spezialisiert auf grausame Bilder (Baby mordende Gaddafisten werden diesmal gar nicht gebraucht), unwiderlegbare Belege für die Heimatfront gibt es hinreichend.

Die Stimmung in Deutschland ist pro Krieg, denn die interessierte bürgerliche Öffentlichkeit denkt mehr an das „Happy End“ in Ägypten und gar nicht an den Schwindel, mit dem der Metzgersohn Joseph Fischer seinerzeit  die deutsche Beteiligung an der „humanitären Intervention“ der NATO im Amselfeld durchs Parlament geboxt hat. Gott, waren das noch Zeiten, als es NATO-Luftschläge hieß und nicht Krieg, wie bei Dr. zu Guttenberg. Geschweige denn völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Aber so wird auch der Libyen- Krieg nur noch bei Leuten heißen, die ihren Verstand beisammen haben.

Andrererseits: Ein robustes Mandat des UNSC für die NATO könnte diesmal leichter folgen, während der Intervention genannte Angriffskrieg eigentlich schon läuft. Russland muss nicht überzeugt werden, denn der Wert seine fossilen Ressourcen steigt und mit ihm sein politischer Einfluss auf die Importländer. China kriegt was  unter dem Tisch angeboten, damit es sich evt. enthält.

Gewisse letzte Teile der politischen Öffentlichkeit des am Boden liegenden, durch den israelischen Überfall von 2006 innenpolitisch völlig destabilisierten Libanon, werden höchstwahrscheinlich not amused sein. Die libanesische Hisbollah hingegen freut sich schon jetzt einen Ast. Syrien sitzt nicht im Sicherheitsrat, aber wie reagiert seine Bevölkerung? Nutzt die rassistische israelische Regierung die Gunst der Stunde, um gegen Syrien oder den Iran auszuholen?

Die nicht ständigen  Sicherheitsratsmitglieder sind entweder für Krieg oder mit eine paar vagen Versprechungen leicht dazu zu überreden. Und dieser Krieg wird das Gift werden, das die echten Demokratiebestrebungen in der arabischen Welt endgültig zerfressen wird.

Aber um Demokratie ging es dem Westen ja auch niemals, höchstens in verlogenen Sonntangsanspraschen. Und noch so eine Frage mit alarmierenden Möglichkeiten zu antworten: Welche Folgen hat dieser Krieg mittelfristig auf die Entwicklung der Bürger- und Minderheitenrechte in Europa einschließlich der Türkei?

Wenn es keine Mandatierung für einen NATO-Einsatz gäbe, wäre das auch gleich. Wie wir wissen, betrachtet die NATO völkerrechtliche Legitimierungen inzwischen, wie Schiller den Zopf. Die Arabische Liga in Gestalt des umstrittenen arabischen Herrn Moses, legitinmiert die Flugverbotszone ein bisschen und der US-Senator und Kriegsheld John Kerry fordert sie sehr eloquent, um sich als Retter der Demokraten gegen den Obama-Zerfall zu profilieren.

Die kapitalistischen  Medien liefern Bilder von Gräultaten der Gaddafisten und kurzfristisg vielversprechende Investitionsempfehlungen für unsere lieben Anleger, die jetzt wieder wissen, wohin mit dem überflüssigen Zaster. Geheimdienste aller Herren Länder steuern uneigennützig nützliche Papiere bei, zur Einnebelung der diplomatischen Apparate und der Öffentlichkeit, oder was sich vormals so nannte.

Wie schön,  dass da Guantanamo jetzt doch auf unabsehbare Zeit offen bleibt, man wird es sicher noch brauchen. Die EU könnte sich vielleicht schon mal um ein Areal für ein Pendant im befreiten Tunesien bemühen, denn diesmal wird auch sie die Kacke am Stecken haben.

Der Rest ist wieder rein humanitär, bis auf die Terroranschläge in den europäischen Hauptstädten, die unsere Friedensliebe und unsere westlichen Werte jedoch keinesfalls erschüttern werden. Im Gegenteil: Unsere Innenminister und Terrorhardliner bekommen noch mehr Propagandafutter für die folgenreichste Einschränkung der Bürgerrechte, die wir in Europa seit dem Faschismus jemals erlebt haben.

Egal wie die Bombardierung libyscher Städte diesmal heißen wird. ‚Operation Enduring Drone Freedom (OEDF) vielleicht‘? Das Ergebnis ist immer dasselbe: Der letzte durch Gaddafis neoliberale Zugeständnisse an den Westen leidlich unabhängiger Ölförder-Staat Nordafrikas, der die „Versorgungssicherheit“ latent gefährdet hat, wird im Sinne imperialistischer Interessen gänzlich liquidiert.

Das Pulverfass wird größer und explosiver. Abertausende Unschuldiger werden durch  Krieg und Hunger getötet werden. Was die Libyer selbst wollen, ist für uns Energieverbraucher im Westen genauso irrelavant, wie es das, was die Sudanesen wollen sollten, für die chinesische Volkswirtschft war. Und Krieg und Hunger, den wir den Völkern der Welt gebracht haben und bringen, werden eher früher als später zu uns zurückkehren.

Vielleicht spekulieren die Europäer noch auf einen zweiten Sudan, bekommen werden sie ihren eigenen Irak. Denn soviel ist sicherer als Nobbis Rente: Die Hauptlasten einer anhaltenden teuren und blutigen Besatzung, werden im Falle Libyens diesmal nicht die Amis tragen. Moodys stuft Griechenland nochmal runter. Ein Schuft, wer das für  eine feine kleine Entscheidungshilfe hält.

Ich  warte jetzt darauf, dass man uns hier in den Mainstreammedien verstärkt mitteilt, es werde alles ganz schnell vorbei sein und die Schläge würden ja auch sehr ‚chirurgisch‘ bleiben.

Die Propaganda ist für den Moment noch zeimlich wirr: Mal hören  wir im Sprachgebrauch der Agenturen von ‚Aufständischen‘ oder ‚Rebellen‘, mal von ‚Regierungsgegnern‘ und ‚revoltierenden Oppositionellen‘. Der Terminus „alternativlose humanitäre Intervention“ kommt vergleichsweise noch wenig vor.  Aber darauf wird man sich wohl einschießen müssen, um den Hauch einer Rechtfertigung zu entwerfen.

Gott sei Dank. Diemal muss ich den Schwindel nicht vom Blatt lesen. Vom Blatt lesen meint hier die Haltung, die man als Denkender einnehmen muss, um den Scheiß, mit dem man sein Geld verdient, nicht sofort hinzuschmeißen – nämlich lesen ohne das weiter zu denken, was man liest. Das ist die große Kunst der Selbstäuschung, die ich mehr und mehr verlernt habe. Lange war mir als Nachrichtenmann regelrecht körperlich übel, als ich sie noch beherrschte.