Gruß zwischen den Jahren

Winterliche Landstraße von Rathemow nach Grütz

Eine liebe Freundin verehrte mir vor gar nicht langer Zeit ein kleines Reclam-Bändchen mit Gedichten von Li Tai-bo (李白, Lǐ Bái).

Das war ein sehr kluges Geschenk und ist eine Quelle lang anhaltender Freude!

Dass ich schon lange keine Christ mehr bin, hindert mich nicht daran Weihnachten mitzumachen. Dass ich nicht dass Weihnachten des Konsumterrors und der sentimentalen Besinnlichkeit meine, versteht sich dabei von selbst. Wir, die wir in den Städten leben, sollten jedoch den Mehrwert der kulturellen Vielfalt anerkennen und mit der eigenen beschenken.

Im vergangenen Jahr war davon in unserer reichen Gesellschaft allerdings wenig zu vernehmen – im Gegenteil. Als Gesellschaft sind wir ganz schön auf dem Holzweg! Wenn sich daran im nächsten Jahr nichts ändert, wird sich einiges ändern, was unser ‚Bruttoinlandglück‘ weiter absenkt.

Wir sollten daran gehen, dass es sich nicht weitgehend und langanhaltend verflüchtigt. Wir sollten unsere Sinne schärfen und unsere Herzen öffnen und denen, die guten Willens sind, ein Zeichen geben, dass sie nicht allein bleiben.

Und wir sollten unsere Kompromissbereitschaft nicht gerade von denen missbrauchen lassen, die sich nicht an die Verträge halten, die sie immer noch mit uns geschlossen haben – mehr noch: Wir sollten nicht zulassen, dass die Macht der guten alten Willkür sich in naher Zukunft nur noch in der Willkür der kurzsichtigen neuen Mächtigen entäußern kann!

In diesem Sinn wünscht der AgenturQuerulant! allen Leserinnen und Lesern schöne Feiertage und eine fröhliche Konversion in das Jahr 2011 unserer Zeitrechnung!

Von den Wagen, den großen, steigt weiterhin wirbelnder
Staub auf,
Dass am hellichten Tag düster sind Heerweg und Zeil.

Wenn des Hofes Eunuchen gewogen, hat Goldes die
Fülle;
Vielgeschossig sein Haus, bis an die Wolken getürmt.

Just am Korso begegnete mir ein Kampfhahnbesitzer.
Welch ein Funkeln sein Hut! Welch ein Geflimmer sein
Schirm!

Schon eine Niesen genügt, dass ein Regenbogen sich
bildet;
Und verängstigt-erschreckt weichen die Fußgänger aus.

Ach uns fehlt jener Greis, der Versuchungen sich
aus dem Ohr wusch!
Heiliger oder Bandit – wer unterscheidet sie heut?

Aus "Li Tao-bo |GEDICHTE übersetzt von Günter Debon,
neu durchgesehen von Rainald Simon,
2009, Stuttgart,Philipp Reclam jun.