Das kann leider nur Putin, denke ich. Wenn ich es könnte, würde ich alle Nachrichtenredakteurinnen und Redakteure, die heute das Wort ‚Lagerhaft‘ in der Meldung über die Berufungsverhandlung für die Pussy-Riots-Frauen benutzt haben, zwei Tage in die Festung von Omsk, gleich bei Imsk, um die Ecke rum von Umsk sperren lassen! Ziemlich viele Redakteure schreiben einfach ab und halten das für gut. Ist das gut?- Gar nicht gut! Aber echt russisch! Hei.Hei. Und schon für diesen Scherz werden mich die späten Jünger Gerhard Löwenthals sofort einen Stalinisten schimpfen. Das ist kein Scherz, werden sie behaupten. Da kann ich mit leben.
Aber kommen wir zur Sache. Ich gebe zu, dass ich total (ein hässliches Wort) auf Deduktion stehe. Heute hat meine PussyCat, bei der Jagd nach einem lebensmüde torkelnden Brummer meine geliebte, ja heilige Teekanne vom Tisch gefegt – tot, Brummer und Teekanne. Das darf natürlich nicht ungesühnt bleiben. Denn schließlich hat Pussy meine religiösen Gefühle verletzt. Außerdem bin ich (glaube ich) immer noch der Boss hier, denke ich.
Pussy machte sich gleich nach der Tat daran, den Tunfisch in ihrem Fressnapf zu verschlingen, denn Tätigkeit macht hungrig, welcher Art sie auch sein mag. Normalerweise ist Pussy bei der Brummerjagd wesentlich vorsichtiger – aber das Wetter, und dann war ich heute auch überhaupt etwas unaufmerksam. Das muss gesagt werden, weil es wahr ist. Ich stellte mich also zum Fressnapf dazu und Pussy vor die Wahl: Willst Du Deutschlandfunk oder Kulturradio zur Strafe?
MIaaaooooo. Sie wusste nicht gleich, was ich meine. Ich präzisierte also: Gefängnisstrafe(Deutschlandfunggg 15:30 Uhr) oder Lagerhaft(kultuuradio vom rbb 14:00 Uhr)? Ein bis drei Sekunden blickt Pussy von Ihrem Mahl auf, miaut gottserbärmlich in die Welt hinaus, als täte ich ihr gerad‘ auf den Schwanz treten. Ich deute das als ‚Was? Zuchthaus für solch eine Albernheit?‘
Zuchthaus. Diese Variante der Meldung über die Bestätigung der Verurteilung von zwei Pussy-Riot-Frauen und Bewährungsstrafe für eine dritte bei der Berufungsverhandlung in Moskau hat mir noch gefehlt in den deutschen Nachrichten. Beim Inforadio auf der Homepage konnte man sich wieder mal nicht entscheiden, ob man in der Sache nun Hü oder Hott sein darf: ‚Lager-Haftstrafe‘ – wo gibt’s denn sowas im Deutschen??? Im Hauptwort Lager schwingst auch immer ein bisschen KZ mit, wenn wir es auf deutsch sagen. Und das ist so gewollt. Jetzt ist 15:00 Uhr; es läuft immer noch Deutschlandfunggg, und die Gefängnisstrafe ist in der neuen Nachrichten-Meldung zur Lagerhaft mutiert.
Es gibt auch Verben, Damen und Herren Redakteure, aber die benutzen Sie vorzugsweise als Bremsklotz, nähmlich benutzen sie sie, nämlich substantiviert. Es gibt so schöne abwechslungsreiche Verben: Inhaftieren, einkerkern, einsperren, arretieren, internieren, füsilieren, sollten jemand in der Redaktion die Rosen mit dem Staatsanwalt durchgehen. Nun ja. Pass dich an, und du bist niiiiiiiiiiie einsam, behältst deinen Job und kommst vielleicht später mal nicht ins Lager, wenn der Wind sich gedreht hat.
Miaoo – Miiaooooooooo. ‚Was ist denn nun‘?, fragt mich meine Katze und meint nicht, ob sie nun Lagerhaft, Gefängnisstrafe oder Lager-Haftstrafe kriegen will, sondern natürlich, dass ich noch was in den Napf tun soll. Ich hebe den rechten Zeigefinger zur UrteilsverkündungXXL: Du, Du, Du! Böse Terrorkatze! Ich verkneife mir den Ukas Festungshaft. Denn wer sollte den durchsetzen? Ich bestimmt nicht. Du bist fortan – vergeneralabsolutiert, sage ich (so streng wie möglich). Das scheint mir gut benamst – mit der Vorsilbe ‚ver‘ und dem ‚general‘ das ist deutsch genug – und mit dem ‚absolutiert‘ darin, das klingt sogar schlau; und es beweist, dass ich nichts gegen Katholiken habe, könnte man denken. Dazu ziehe ich eine spitze Schnute, wie Pussy sonst, wenn sie zufrieden ist. Dann eile ich – zum Radio und schalte es für den Rest des Tages aus, aus, aus – gehe zurück in die Küche, räume die Scherben beiseite und öffne eine neue Dose Tunfisch. Die Trauerarbeit um meine Teekanne hält an.