Erwin und Fruntz oder: Ich mache, was ich will oder ich mache nicht, was ich will.
Anfangszustand: Erwin trägt einen mit Farben bekleckerten weißen Overall. Fruntz trägt eine ehemals helle Knöpfjacke und derbe Hosen, die am Knie mit jeweils einem passend zugeschnittenen Stück eines alten Autoreifens verstärkt sind. Erwin steht auf einer Leiter die sich sehr, sehr weit ausziehen lässt ganz oben und malt nur die roten Schlingpflanzenblüten einer auf der Wand befindlichen Vorzeichnung aus. Fruntz rutscht auf den Knien und pflastert einen Weg, der in die Hinterbühne führt. –
Utensilien: Hammer, Kopfstein, gelber Sand, eine Gießkanne aus verzinktem Eisenblech, ein alter Straßenbesen). Alles ist gut zu sehen.
Spielanweisung: Die Männer geben sich eine Weile ihren Tätigkeiten hin. Dann nimmt Erwin den Faden einer Geschichte wieder auf, die er bereits irgendwann begonnen haben muss.
Erwin: Und dann ist da so eine Frau unter einem weißen Kleid mit weißem Schleier, und die schämt sich sehr, aber das merkt keiner, weil ich das weiße Kleid ja an habe, das merkt gar keiner.
Fruntz: Ne Frau, was für ne Frau, ne Frau unter nem Schleier? Man bist du bescheuert? Und wo is die Frau?
Erwin: Hier.
Fruntz: Quatsch doch nich.
Erwin: Woher willst denn du sowas wissen? Im Leben nicht. Also überleg doch mal.
Fruntz: Jetzt katzbuckelst du wie immer. Meinst Du, dass, dass, dass Du damit die Dinge irgendwie ändern tätest… Nicht im Mindesten.
Erwin: Wenn irgendwer von der Frau wüsste…
Fruntz: …würde sich nichts ändern. Nicht im Mindesten. Glaub mir. Du hast soviel Amikackserien im Hirn, dass du glaubst, es könne noch was Entscheidendes getan werden, wenn du, nur du, nur du, was veränderst. Du glaubst, Du, Du, Du seist jemand anderes, hä? Was Besseres, hä?
Erwin: Wieso sollte ich denn auf einmal was verändern wollen.
Fruntz: Also wirklich, das liegt doch auf der Hand – von morgens bis abends ziehst du dir diese Blümschen-Scheiße rein. Wie soll sich denn dein Leben verändern, wenn du die Scheiße jetzt schon wach träumst: Ne weiße Frau, die sich schämt.
Erwin: Keine weiße Frau, sondern ein weißes Kleid. Ich habe weißes Kleid gesagt. Und ich will mein Leben nicht verändern. Ich will gar nichts verändern, ich will einfach nur Blümchen malen.
Fruntz: Kauf dir n‘ Strick.
Erwin: Brauch ich nicht – hab ich schon.
Fruntz: Nun heul doch nicht schon wieder, ich bitte dich: von irgendwas müssen wir ja leben.
Erwin: Ich habe nichts dagegen, aber du nörgelst ständig, du nörgelst, weil…
Fruntz: Äh, äh, äh, sag es nicht.
Erwin: Gut, lass uns von was anderem reden. Meine Damen und Herren, sie sahen die Dokumentation “Das Dritte Reich in Farbe”. Wenn es Ihnen gefallen hat, dann, dann äh….
Fruntz: Wählen sie auch das nächstemal Guido Knopp.
Erwin: Genau das wollte ich sagen.
Musik: Hanns Eisler, Rondo aus der Suite Nr. 3 0p. 26, "Kuhle Wampe"