Die Sache mit dem positiven Effekt

Der Ökonom Heiner Flassbeck, das ehrt ihn, ist das Gegenteil von einem Marktradikalen. Auf seiner Internetseite Flassbeck Economics setzt er sich heute mit der „halbherzige Umweltpolitik der Bundesregierung“ auseinander:

Doch es gibt ein weiteres, scheinbar unschlagbares Argument gegen Strompreiserhöhungen und für Strompreisbremsen: Beziehern niedriger Einkommen könne eine solche finanzielle Zusatzbelastung nicht zugemutet werden. Als ob ein monetärer Ausgleich bei Hartz IV-Sätzen, Wohngeld, Heizkostenzuschüssen und der Berechnung anderer sozialer Leistungen nicht möglich wäre. Und der wäre im Sinne der Subjekt– statt Objektförderung in Hinblick auf den Umweltschutz viel hilfreicher.

So weit so gut. Der Euphemismus ‚Strompreisbremse‘ ist natürlich ein echter Hirnkiller. Die Argumentation der Regierung läuft darauf hinaus, die EEG-Umlage zu verringern oder gar abzuschaffen, wenn es nach den s.g. Liberalen ginge. Unsinnig steuern oder gar nicht ist die Maxime der Koalition. Aber was ist das dann?

Denn wenn sich ein Hartz IV-Empfänger dafür entscheidet, die entsprechende Steigerung seiner Transfers nicht für die gleiche Menge Energie wie vorher einzusetzen, sondern lieber für etwas anderes, d.h. etwas weniger zu heizen und dafür gleichzeitig einen Pullover mehr anzuziehen, dann kommt genau das durch die Verteuerung des Stromes heraus, was damit bezweckt wird: ein geringerer Verbrauch.

Quatsch mit Soße. Wie würde wohl ein „monetärer Ausgleich“ für die de fakto zu hohen Stromkosten, z.B. für Transfer-Empfänger, verordnungstechnisch ausgestaltet? Höchstwahrscheinlich genau wie beim Verbrauch von kaltem Wasser (warmes wird ja wie auch Strom aus dem Regelsatz bestritten.) und Heizkosten, nämlich verbrauchsabhängig, bis zu einer festgesetzten Obergrenze. Das heißt: Der Regelsatz würde wahrscheinlich  nicht über einen pauschalen ‚Strom-Zuschlag‘ erhöht werden, den ich dann, in dem ich Strom spare, anderweitig ausgeben könnte, sondern eben verbrauchabhängig – für die Umwelt ein Placebo also. Abgesehen davon, kann ich nur noch Strom sparen, wenn ich meinen Kühlschrank nur stundenweise betreibe und meine Wäsche in der Badewanne walke!

Ausruhender im Wedding

Ausruhender im Wedding, Foto: Wolfram Haack, 2003

Wobei die versteckten Energiekosten für die von mir dann vermehrt nachzufragenden (bestenfalls ja importierten) Konsumgüter oder Luxusnahrungsmittel gar nicht eingerechnet sind. Das gleiche gilt für den zusätzlichen Pullover mit dem ich beim Heizen sparen könnte. Mit diese Art Ersparnis beflügele ich weder die Volkswirtschaft durch gesteigerten Konsum, noch nütze ich irgendwie der Umwelt. Was ich spare, würde mir wieder weggenommen bei der nächsten Berechnung des Bedarfs.

Das vorherrschende ökonomische Verständnis würde (bis zur nächsten Stromrechnung) natürlich eine gewinnbringende Investition nahelegen, denn immerhin ist die Subvention meines Verbrauchs zunächst steuerfrei. Vermutlich würde ich mich, wie allgemein bekannt ist, für mehrere Flaschen „Herva mit Mosel“ entscheiden. Niemand käme selbstverständlich auf die Idee mich von der Mehrwertsteuer für diese Investition zu befreien, auch wenn ihr volkswirtschaftlicher Nutzen unbestritten sein dürfte.

Ein geringerer Energie/Strom Verbrauch der „Transferempfänger“ käme sehr, sehr, sehr  evt. bei einer pauschalen Anhebung von Regelleistungen heraus. Sie müsste, um zu wirken, allerdings bedeutsam sein – also keine fünffuffzich und das auch noch nur unter Androhung verfassungsrichterlicher Gewalt… Die Frage ist zudem, wie viel Strom verbrauchen denn „Transfergeldempfänger“? Fällt das bei der Energiebilanz volkswirtschaftlich überhaupt ins Gewicht. Die steuernde Wirkung im Sinne der Umwelt tendiert hier so oder so gegen null. Diese Scheinsubvention der ‚Bedürftigen‘ soll vor der Wahl in erster Linie sozialen Ausgleich suggerieren – Ihr braucht nichts bezahlen, liebe Industrie, damit ihr schön wettbewerbsfähig bleibt und evt. keine Massenentlassungen vornehmen müsst. Aber unsere Bedürftigen bekommen dafür auch ein Stückchen Schokolade, damit sie nicht traurig sind, und eine Beschäftigungsgarantie in einer Auffanggesellschaft wenn die Bosse den Betrieb wieder einmal an die Wand, pardon den Baum gefahren haben.

Dass die großen Verbraucher von der EEG-Umlage befreit sind, fällt allerdings ins Gewicht. Und natürlich steigert dieses großzügige Geschenk die Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Unternehmen für noch mehr Export und höhere Dividenden. Die Einschätzung der europäischen ‚Wettbewerbshüter‘, es handele sich um eine Subvention, ist insofern zutreffend, als die befreiten s.g. Energie intensiven Industrien ihre Befreiung ja nicht zweckgebunden reinvestieren werden, wenn sie nicht müssen. In diesem Bereich funktioniert „fördern und fordern“ vielleicht, aber auch nur wenn fordern heißt, dass Gesetz und Sanktion regeln, wie eingesparte EEG-Umlagen gefälligst in die Entwicklung energiesparender Technologien ohne gleichzeitigen Arbeitsplatzabbau gesteckt werden müssen. Die  erlassene Umlage wirkt i. M. doch dergestalt steuernd, dass Großverbraucher keinen Anreiz haben, weniger Strom zu verbrauchen oder in zukunftsweisende Produktionstechnologien zu investieren, die mittel- bis langfristig sogar ein Wettbewerbsvorteil werden könnten, könnten, könnten.

Die einen werden durch Abgabenerlass gefördert, und es hat null Effekt im Sinne selbst der dürren eigenen EEG-Vorgaben des Gesetzgebers. Die anderen werden durch scheinheiligen sozialen Ausgleich aufgefordert zu sparen, was sie effektiv gar nicht zusätzlich bekommen werden (sieht man vom kurzfristigen Effekt der von mir vorgeschlagenen Investition in „Herva mit Mosel“ ab).

Die EEG-Umlage hätte zumindest nach bürgerlicher Logik dann einen positiven ökologischen Effekt, wenn die Subventionierung der Großverbraucher effektiv sinken würde, sie also genauso an den Kosten des Umbaus beleiligt würden wie alle anderen. Und einen wenn auch minimalen ökologischen aber sinnvollen sozialen Effekt, wenn aus der Scheinsubventionierung der s.g. Transfergeldempfänger eine ernstzunehmende Investition in den s.g. sozialen Frieden würde. Und wenn soviel Vernunft in der BRD eingekehrt sein würde, könnte man vielleicht auch gleich Konjunkturprogramme auflegen, Arbeitnehmerrechte ausbauen, Existenz sichernde Beschäftigung schaffen und nicht zuletzt Löhne und Gehälter bei kleinen und mittleren Beschäftigungsverhältnissen kräftig anheben. Das geht nicht ohne, dass sie müssen, ohne  die ganze neoliberale Maffia abzusetzten. Denn das alles ist politisch gar nicht gewollt und wird ohne ein irgendwie geartetes Fanal wohl auch niemals geschehen. Das nächste Wahlergrbnis zählt jedenfalls mit Sicherheit nicht in die Rubrik Fanal.

Ernesto Leninway