Das fiese Filmchen

The pair of original en:Ruby slippers used in The Wizard of Oz on display at the American History Museum in Washington DC

Jetz habe ich „The innocence of Muslims“ doch angeschaut. Was sagt man zu sowas? B-Picture. Der „Logik des Marktes“ folgend hat Google den Dreck nur dort blockiert, wo es Marktanteile kosten würde, aber keinesfalls gelöscht! Aber das ist ja auch nicht das Problem. Ein solches B-Picture läuft doch auch gern auf Super-RTL oder so. Im Prinzip sind die amerikanischen Filme des Mainstream der letzten 30 Jahre, ob billig ob teuer produziert, die irgendwie das Thema Muslime, Naher Osten, amerikanische Weltrettung betreffen, in ihrer überwältigenden Mehrzahl genauso schlecht gemacht und genauso infam gestrickt -für die Heimatfront. Letzteres ist das Schlimmere. Und ich verstehe die Aufregung, denn der Zweck des Beitrags ist Herabwürdigung.

Nehmen wir eine x-beliebiges Happyend und achten darauf, ob unsere Emotionen uns überwältigen – ob wir dazu geneigt sind, die Details im Kontext der Humanität zu übersehen, beim großen billigen Happyend. Dabei stecken diese Schund-Produktionen voller Hinweise, was denn den ‚amerikanischen Kulturchauvinismus‘ gerade in seiner Frontfunkfunktion so dämlich macht: Seine Weigerung ‚in der Totalen‘, der Perspektive desjenigen, der ständig und mit der größten militärischen und medialen Macht aufgerüstet, irgendwo in der Weltgeschichte Pranger aufstellt, die Sicht des eigenen totalitären Ismus zu entdecken. Wie es scheint, ist sie nicht zu entdecken, weil dem ein Trommelfeuer wirklich bewegender Closeups im Wege steht, das von Leuten mit etwas komplizierter erkennbaren Intentionen in Auftrag gegeben worden ist. Es ist wie eine Dauererektion – gut zum Prahlen aber tut höllisch weh. Die Reaktion lautet regelmäßig: Jetzt nur nichts anmerken lassen. Das ist natürlich Quatsch, denn es gibt genügend Risikoanalysen, was im schlimmsten Fall passieren würde, und dennoch wird immer feste druff gehauen. Diplomatie ist blöd, allenfalls Krücke.

Das ist auch die Denkart der nach Amerika aus Europa ausgewanderten Bourgeoisie. Die halten das stets für ihr gutes Recht, druff zu hauen. Die brandmarken eine schleimige kulturelle Diplomatie, die sowieso nichts bringt, und, so die fadenscheinige Verteidigungsstrategie, weder gegen einen Hitler noch gegen einen Stalin geholfen hat. Ihr Problem ist, dass sie sich in ihrer Arroganz eine Diplomatie, die auf Gleichberechtigung der Ansprüche und gerechte Abwägung der Möglichkeiten des Anderen setzt, nicht vorzustellen vermögen. Diplomatie ist das Gequatsche, bevor der Krieg beweist, wer raffinierter oder stärker oder beides zusammen ist, denken sie.

Das ist die gleiche kulturelle Arroganz, mit der die junge amerikanische Bourgeoisie der Verfassung ihren Stempel aufgedrückt hat, nach dem Frankreich und die mit ihm verbündeten ‚Wilden‘ in der neuen Welt nieder gerungen waren. Sich in bequemer Position von England los sagen, und die Kolonisten fremdes Land durch Mord und Brandschatzung von den Ureinwohnern rauben lassen. So gehen sie immer noch vor. Ich nenne das das ‚bipolare europäische Siedlersyndrom‘. Es ist andererseits typisch für die gesamte europäische Kolonialgeschichte. Die israelische Gesellschaft hat übrigens das gleiche Problem – nach dem Genozid freilich – in einem erweiterten historischen und völkerrechtlichen Kontext.

Es gibt wohl amerikanische, israelische, europäische Selbstkritik, nur die hat nicht die leiseste Chance mediale Macht hinter sich zu bringen, um gesellschaftlich wirksam zu werden. Erst ein gewaltsamer Umsturz oder eine dauerhafte Massenerhebung, die den Widersinn der bisherigen Interpretationshoheit offenkundig vor aller Augen führt,  können daran wohl etwas ändern.

Mit den USA ist es immer dasselbe – vom Konstrukt der Verfassung und der aristokratischen Gewohnheit, die Freiheitsgewährung nicht zu Lasten der Reichen zu definieren, bis hin zur Deutungshoheit über die Beantwortung der Frage, ob die Klimakatastrophe nun human indiziert ist oder nicht. All das definiert und bestimmt sich für die Mehrzahl der US-Amerikaner ironischerweise letztlich durch den Zauberer von Oz. Da lassen sie nichts drauf kommen.

Auf der anderen Seite aber erfinden sich immer neue Denkfabriken, in denen ein Heer von beflissenen, relativ anständig bestallten Psychologen, Statistikern, Wirtschaftsmathematikern vor einer nur noch der nationalen wirtschaftlichen Prosperität huldigenden Wirklichkeit salutiert, die nach der einseitigen Aufkündigung des New Deal durch die vermögende Bougeoisie, mehrheitlich in Profit maximierender Manie gebürstet wurde, und nach genau dieser Anleitung pseudoegalitär und pseudodemokratisch Risikobewertung und Folgekostenabschätzung betreibt, vom Scharmützel im eigenen Land, über die weltweite Unterstützung nützlicher Terroristen und Despoten, bis hin zum ausgearbeiteten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Aber nichts und niemand und schon gar nicht die demokratischen Gründerväter haben den hübsch geförderten Zweckoptimismus der armen Gläubigen davor bewahren können , dass seine geheimen kolonialen Ressentiments in schwierigen Zeiten regelmäßig die alten Gespenster von Unterdrückung und Sklaverei wachrufen.

Die Zweckoptimisten beschwören auch dann noch den Common Sence, wenn sich schon längst herausgestellt hat, dass die althergebrachte Mode, die ihn beherrscht, verbrecherisch ist oder jedenfalls mit dem Feuer spielt. Es ähneln sich aber doch diese überkommenen Vorstellungen der Völker vom ‚höheren Wesen‘ sehr in der arabischen Welt und in den Staaten. Die Film gewordenen Schnulzen sind ganz ähnlich, ganz anders z.B. der tatsächliche Gebrauchswert eines Bollywoodschinkens – die Kompatibilität ist hier mehr europäisch. Und deshalb können in beiden Gesellschaften, den meisten arabischen und der nordamerikanischen, die Menschen übers Ohr gehauen mit ollen Kamellen, medial verführt oder ökonomisch gezwungen werden, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Und in beiden Fällen hören die Völker im Moment noch auf den Zaubere von Oz und nicht auf ihre Vernunft begabten Töchter und Söhne. Aber das wird ja nicht so bleiben.

Bei uns wird es, aller Voraussicht nach, bald haargenau so sein. Das Verbot der Blasphemie oder die Zensur der Satire ändern nichts an den politischen Wegmarken, die bereits von den Huntingtons oder Sarrazins dieser Erde in gute Muttererde(ein Kleingärtner) gerammt worden sind – in voller Absicht und mit dem Bestreben, Vielfalt als atypisch für „unsere Lebensweise“ hinzustellen.  Natürlich muss Satire immer alles dürfen. Die Fragen werden falsch gestellt. Was darf Satire, ist die falsche Frage. Sie ist generell und bezieht sich darauf, ob Satire grundsätzlich etwas nicht dürfen können sollte. Wozu sollte sie das nicht dürfen können? Die Diskussion darüber ist nur noch nervtötend und lenkt von dem ab, was dringend Diskurs werden sollte: Die universelle Frage nach einer gerechten Gesellschaft.

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen über Spott und Satire in der alten und neuen, in der arabischen und der europäischen Literatur. Aber es gibt keine einfache und interkulturell verbindliche Übereinkunft, wer wessen beabsichtigte Herabwürdigung wie auszuhalten hätte! Gastfreundschaft ist eine einfache Übereinkunft, Toleranz oder Herabwürdigung sind Entscheidungssache. Wer gewährt Gastfreundschaft warum immer weniger? Welche Ursachen hat unsere Herabwürdigung des Fremden im Kontext der europäischen Aufklärung.

Welches also ist die Ursache für die Herabwürdigung des Anderen aus meiner sichersten Perspektive heraus? So muss die erste Frage lauten, die sich nämlich, um es in ein im Abendland mal sehr anerkanntes Bild zu gießen, zuerst mit dem Balken vor dem eigenen Kopf zu beschäftigen hat, und erst danach mit dem Splitter im Auge des „bärtigen religiösen Eiferers im morgenländischen Gewand“. Das ist die ganze Misere. Wir beschäftigen uns doch im minimal verbliebenen öffentlich zugänglichen Teil des gesellschaftlichen Diskurses einseitig (und in Zeiten der gesellschaftlichen Krise ausschließlich) mit den Fehlern der anderen. Das ist nicht aufklärerisch, antidemokratisch und selbst wider die Vernunft des Durchschnitts!

Dieses Filmchen bestätigt insofern eindrucksvoll, dass hier Leute am Werk waren, die zudem noch die Macht der Kultur unterschätzt haben, indem sie ihre kulturelle Identität benützen, um auf dem Brett vorm eigenen Kopf ihre ureigenen Teufel zu karikieren. In roten Schuhen die Hacken zusammen zu knallen, hilft nur ganz bedingt.