„Borkum Investment“ – Folge 1

„Eine kranke Geschichte wie diese ist nur dann nicht mehr wichtig, wenn sie durch anderes wettgemacht wird — grandiose Schauspielerei zum Beispiel oder wohlklingender Gesang. Beides läßt diese Produktion vermissen.“, schrieb 1991 die Kritikerin der TAZ zu meiner Revue „Ich hab noch einen Koffer in Berlin. Aber Wo“, eine Auftragsarbeit für das  Ratibor-Theater in der Cuvrystr. „Die neue Produktion des Ratibor-Theaters (Regie: Harald Klenk), die den Mythos der goldenen zwanziger Jahre demontieren möchte, langweilt durch Platitüden, ewige Umbaupausen und schlechte Kopien der großen Vorbilder. Wo das gleiche draufsteht, muß eben noch lange nicht das gleiche drin sein…“, schrieb Anja Poschen seinerzeit.

Auch die Kritik wird ja, wenn man lange genug wartet, evt. große Literatur. Deshalb schulde ich Anja Poschen besonderen Dank… Mein unveröffentlichtes Lustspiel „Borkum Investment“ sei dadurch nachträglich ihr gewidmet. Ich veröffentliche das olle Ding, das bisher niemand machen wollte, hier in loser Folge. Findet sich noch jemand?

Wolfram Haack

 

BORKUM Investment

 

Lustspiel

 

Personen:

Mulla (freut sich wie am Polterabend)

Hanswurst (darf keine Rede halten)

Aktionär (ißt Austern)

Persilist (lacht sich fast tot)

Hermeneutix (dealt alles)

Bademeister (als solcher angestellt)

Frau Assuman (Angestellte in der Getränkeauslieferung ihres Bruders)

Herr Assuman (Bruder von Frau Assuman, Inhaber der Getränkeauslieferung)

Das Stück spielt von Karfreitag bis zur Auferstehung der Toten.

 

Die See wird im Zuschauerraum angenommen. Feuchter Sandstrand mit Sandburg auf der Insel Borkum, Frühling, fast gutes Wetter, Obstkisten, die offenbar ein Lagerfeuer abgeben sollen, eine Sandburg, ein hellgrüner Strandkorb mit Badeutensilien, eine billige durchsichtige Luftmatratze lehnt daran. Ein billiger Kinderfußball liegt herum. Ein Handtuch ist zum Trocknen über dem Strandkorb ausgebreitet. Ein Ghettoblaster dudelt HipHop gegen das regelmäßige Meeresrauschen an. In der Tiefe der Bühne sind einige Türme aus bunten Getränkekisten gestapelt. An der Rampe ein Hochsitz auf dem Bademeister ein Buch liest.

Persilist: (kommt im Dauerlauf aus dem Zuschauerraum) Man riecht es schon. Noch etwas mehr als 5 Stunden, dann haben wir‘s hier.

Aktionär: Man hätte es gestern wissen müssen!

Hermeneutix: Das mußte ja so kommen.

Mulla: Man kriegt alles in den Griff.

Hanswurst: Und wenn nicht?

Mulla: Kaputtmachen oder abhauen…

Aktionär: Oder was neues beginnen, in Gegnerschaft verharren und des Geschickes Zorn nicht dulden.

Mulla: Meine ich ja. Warum frißt Du eigentlich ständig Austern?

Persilist: Laß ihn doch, er hat ja sonst nix.

Hanswurst: War der Getränkemann schon da?

Mulla: Das is‘ eine Tusse…

Hanswurst: Ich werd‘ doch wohl noch…

Persilist: Es ist ein Typ!

Mulla: Stimmt, sieht aus wie deine Alte.

Aktionär: Ich hatte es im Urin. Es war einfach nur der falsche Mantel. Zu spektakulär, einfach zu spektakulär, deshalb habe ich auf die Weißmehlmühle gesetzt und nicht auf die Brauerei, was ja von der Philosophie her auch viel naheliegender gewesen wäre- dicke Brühe…

Persilist: Schwarzbier!

(Schweigen)

Hanswurst: Schwarzbier, ha ha ha.

(Schweigen)

Aktionär: Man soll nur seinen Ahndungen Gehör schenken. (zu Persilist) Eine Auster?, Ich schaffe sie nicht mehr bis es soweit ist.

Hermeneutix: Man soll seinem Bauch trauen. Das ist schön.

Mulla: Man muß einundzwanzig mal pro Woche, drei mal am Tag- auch ohne Austern oder Sellerie. So war das von der Natur vorgesehen, ursprünglich.

Persilist: Trotz Austern und Sellerie, das ist kühn.

Hanswurst: Mit Austern und Sellerie! Das wäre weise.

Aktionär: Austern und Sellerie gehören dabei, sonst kann man nicht von Leidenschaft sprechen.

Hermeneutix: Die Sonne geht unter.

Aktionär: Ja, es wird Zeit. Morgen ist wieder ein langer Urlaubstag.

Hanswurst: Mein letzter.

Mulla: Hör auf zu jammern. Was ist, noch einen zischen?

Persilist: Das sind Gewitterwolken. Es wurden kurze Quellwolken über dem Nordatlantik gesehen. Daher wird es wohl Gewitter geben, sagt man.

Hermeneutix: Wer hat das gesagt?

Mulla: Na wer wohl? Irgend ein schmieriger Typ…

Hermeneutix: Der die Temperaturen, wie einen dreckigen Witz verkauft.

Hanswurst: Wenigstens ehrlich….

Mulla: Darauf könnt ihr euch alleine einen hobeln. Ich will anständige Titten für mein Geld.

Hermeneutix: Dann heben wir einen. Um die Uhrzeit müßten man eigentlich schon sternhagelvoll sein.

Aktionär: Im Urlaub ja.

Hanswurst: Also gut, lassen wir uns zulaufen, trinken wir auf meinen letzten Urlaubstag…

Man schickt sich an zu gehen und packt zusammen.

Persilist: Wartet! Es sind Quellwolken eigentlich nur Wölkchen und es gibt nur kurzzeitige Schauer und:

Die gefühlte Temperatur steigt!

Hanswurst: Ist der Getränkeheini schon dagewesen?